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Schule 2.0

Ich habe am Anfang meines Auslandsjahres schon mal was zum Thema Schule geschrieben und dachte ich sollte mal Berichten was mir so nach 9 Monaten dazu einfällt (wie die Zeit vergeht!).

 

Das Vertrauen von Lehrer*innen auf Schüler*innen ist hier wahnsinnig hoch. Ich finde da sehr angenehm, auch das informelle und persönliche. An zwei Beispielen werde ich das Mal etwas veranschaulichen: Erstens, es gibt hier Lehrer*innen, die wenn jemand zu spät kommet und eine Entschuldigung abgeben will sagen, dass sie einem Vertrauen und sie die Entschuldigung in den Mülleimer werfen können. Zweitens, das bezieht sich mehr auf die persönliche Ebene, ist das ein Freund von mir, der gerade Abi macht, also normalerweise nicht in der Schule ist, in die Schule gekommen war um mir etwas zugeben. Er traf auf die Koordinatorin der Oberstufe, die ihn fragte ob er jemanden bestimmtes suche und auf seine Antwort hin das er mich suche, hat sie in meinem Stundenplan nachguckte ob ich noch Schule hätte.

 

Ich habe jetzt das System der Lukio, also der Oberstufe hier, verstanden. Ein Schuljahr hat jeweils 5 Schulperioden, nach jeder Periode ändern sich die Stundenpläne und Kurse. Ein Kurs besteht aus drei Wochenstunden. Bis zum Abi muss man eine bestimmte Anzahl von Kursen absolviert haben und dann hat man am Ende, ähnlich wie in Deutschland, in bestimmten Fächern Abschlussprüfungen. Diese finden aber schon ein bisschen früher an. Das System wurde in diesem Jahr auch umgestellt so, dass die Prüfungen jetzt am Computer und nicht mit Papier und Stift absolviert werden müssen. Ich persönlich finde ja Papier und Stift besser. Ich finde es schon nervig, wenn wir in manchen Kursen die Teste am Computer schreiben. Die Oberstufe dauert hier meistens 3 Jahre, es gibt aber auch die Möglichkeit die Oberstufe in 4 Jahren zu absolvieren, auch in Kombination zum Beispiel mit einer praktischen Ausbildung. (An dieser Stelle möchte ich anmerken das ich das hin und her rudern von G8 und G9 in NRW nicht sehr Weise finde. Ob Schule sehr stressig für Schüler*innen und Lehrer*innen ist hängt nicht davon ab, ob das Gymnasium 8 oder 9 Jahre dauert. Ein Schulsystem ist nicht automatisch gut oder schlecht nur weil es 12 oder 13 Jahre dauert und das eine oder das andere als Lösung aller Problem zu verkaufen ist meiner Meinung nach frech.)

 

Wenn die Abiturient*innen hier Anfang des Kalenderjahres die Schule verlassen ist das sehr ähnlich zu Deutschland, mit ein paar Unterschieden. Die Schule war verwüstet, aber im Gegensatz zu meiner Schule in Deutschland dürfen die Klassenräume nicht verwüstet werden. Die Abiturient*innen verkleiden sich und werfen Süßigkeiten, wie im Reihnland an Karneval. Die erste Stunde fand in der Theorie so statt wie immer, in der Praxis funktionierte das nicht ganz so gut, weil die Abiturient*innen mit lauter Musik und Kamelle kamen und alle beschmissen, außerdem lief über die Schullautsprecher ihre „Radioshow“, die zum größten Teil aus Flachwitzen bestand oder Rap Einlagen, außerdem wurde Schweden auf die Schippe genommen. Danach ging es in Die Turnhalle, die Komplet mit Papierfetzen bedeckt war und irgendjemand von ihnen auf die Idee gekommen war noch Packungen von Nudeln zu auf dem Boden verteilen. Dort fand dann die Abi-Show statt, die eine Kombination von Spielen und Abi-Film war. Der Abi-Film war meiner Meinung nach besonders gut gelungen, sie haben nämlich die Lehrer*innen im Stil der ältesten und meist geschauten finnischen Soap nachgespielt. Nach dieser Show sind die Abiturienten dann ausgezogen und mit großen Wagen die von Traktoren gezogen werden durch die Dörfer gefahren, dies habe ich aber leider nicht mitbekommen, weil die restlichen Schüler*innen den ganzen Dreck aufräumen müssen. Ein Tag nach diesem Spektakel findet der Wanhat statt, das ist eine Art Ball in der die Zweitklässler der Oberstufe feiern, dass sie die ältesten sind. Dazu lernen diese Verschiedene Tänze und haben dann an diesem Tag mehrere Auftritte vor jeweils anderen Publiken. Nach diesen Auftritten gibt es natürlich eine große Afterparty. Es war wirklich sehr interessant zuzugucken, ich hatte mich dagegen entschieden mitzutanzen, was ich nicht bereut habe.

 

Was ich noch berichten möchte bezüglich Kontakte knüpfen in einem so kleinen Dorf, wo sich alle schon seit dem Kindergarten kennen ist folgendes: es ist schwierig! Also dies soll jetzt Leute die sich überlegen ein Auslandsjahr zu machen nicht verunsichern und es ist auch Teil meiner Persönlichkeit nicht sehr schnell auf Leute zu zugehen, aber es war hier noch mal ein bisschen schwieriger. Ich fand aber sehr gut, dass ich das hier „trainieren“ konnte und ich kann das nur weiter emfehlen. Man fällt hier auch als Austauschschüler*in total auf, was nicht zwangsläufig schlecht ist. Die Menschen sind alle total hilfsbereit und freundlich und der größte Teil spricht Englisch. Ich bin auch wirklich froh in dieses Dorf gekommen zu sein, weil das schon nochmal eine ganzbesondere Erfahrung ist und auf eine kleine Schule zugehen ist auch echt interessant, da ich eine Schule mit um die 1000 Schüler*innen gewöhnt bin. Ein Beispiel bezüglich des Auffallens ist, dass ich einen Jungen in der Schule den ich nicht kannte die Tür aufgehalten habe und dieser sich bei mir auf Englisch bedankt hat, ein anderes war, dass ich mit meinen Gasteltern im Supermarkt und ein Freund von mir berichtete, dass eine Klassenkamerad von ihm, den ich nicht kannte, mich dort gesehen hatte.

 

Nun bin ich ein bisschen vom Thema Schule abgekommen. Bezüglich „neuen“ Medien habe ich ja schon oben erwähnt, dass sie mehr in der Schule genutzt werden. Dies hat auch negative Seiten, zum Beispiel wenn man in der Schule immer Laptops wegen der E-Bücher benutzten darf, die Laptops natürlich auch eine große Ablenkung sind. Natürlich ist es unhöflich den Lehrer*innen gegenüber wenn man sich komplett auf was anderes als den Unterricht konzentriert. Ich finde aber auch, dass man so argumentieren kann, dass wenn Schüler*innen das Bedürfnis haben im Unterricht Netflix zu schauen sie alt genug sind um die darauffolgenden Konsequenzen zu tragen.

 

Ein Fach was ich super interessant finde und was es hier an eigentlich jeder Schule gibt ist Psychologie. Ich finde das es ein Fach ist, was einem im Leben echt weiterhelfen kann, unabhängig davon was man später arbeitet. Schade ist, dass es in Deutschland (zumindest in NRW) nur and wenigen Schulen unterrichtet wird.

 

Insgesamt finde ich das finnische Schulsystem klasse, ich muss aber auch sagen, dass es so etwas wie das perfekte System nicht gibt. Auch hier in Finnland gibt es zum Beispiel große Kürzungen im Bereich Schule. Außerdem finde ich nicht das PISA Ergebnisse sehr aussagekräftig sind. Mir gefällt vermutlich das finnische System besser, vor allem Wegen des Vertrauens. Hinzufügen möchte ich auch, dass die Unterschiede von deutschem und finnischem Schulsystem sich mehr in der Grundschule und in der Mittelstufe unterscheiden und, dass die Finnen besonders hier die Nase vorne haben. Ein wichtiger Punkt in Sachen gutes Schulsystem ist eindeutig auch die kostenlose freie warme Mahlzeit pro Tag!